Bis bald im Himmel


Sie war nicht imstande, seine Hand zu halten, als er beim Sonnenuntergang heimging. ‚Du solltest den Brief lesen’ erinnerte sie sich an die Worte des Mädchens aus dem Park.

Asia ging bedächtigen Schrittes im Wald. An ihr gingen verschiedene Menschen vorbei,
die hin und her hasteten. Plötzlich erblickte sie zwei junge Leute, deren Gespräch
traurig war. Der Junge gab seinem Mädchen einen kleinen Briefumschlag und küsste
ihre Wange. Das Mädchen weinte, aber er tröstete sie. Danach gingen die beiden weg.
Am Tag darauf traf Asia dieses Mädchen wieder. Sie war allein. Sie sah in die Ferne,
und bemerkte niemanden. Asia kannte diesen Gesichtsausdruck, kannte diesen Blick.
Sie setzte sich zu diesem Mädchen und sagte ‚Ich verstehe, was du erlebst. Ich sah
dich gestern mit einem Jungen. Es ist nicht wichtig, was passiert ist und was noch
geschieht. Du musst bei ihm sein. Lass eure Freundschaft nicht zerstören. Du sollst
ihn nicht verlassen, selbst wenn er dich anflehen würde’. ‚Er wird sterben. Ihm
bleiben nur ein paar Wochen übrig. Sein Wunsch ist, sich von seinen Freunden zu
verabschieden, solange er noch Kräfte dazu hat. Er wollte in Abgeschiedenheit
sterben. Er hat mir einen Brief geschenkt und gesagt, dass ich den lesen sollte,
wenn seine Kutsche abfährt’. ‚Wenn wir jemanden lieben, sind wir fähig, ihm uns zu
widmen. Vor einem halben Jahr ist mein Freund gestorben. Er war krank. Drei Jahre
hat er gegen die Leukämie gekämpft. Er hat es nicht ertragen. Seine letzten Worte
haben mich schmerzlich berührt. Ich hab ihn verlassen. Ich hab nicht geglaubt, dass
er gestorben war. Gib nicht auf! Begehe meinen Fehler bitte nicht! Ihr müsst euch
alles sagen, bevor es zu spät wird. Vertraute mir ! Vor seinem Tod hab ich einen
Brief gekriegt. Nie hab ich ihn gelesen’. ‚Ich finde, du solltest es tun. Das stillt
deinen Schmerz. Ich bin dir dankbar, dass du mir Mut zugesprochen hast’. Asia blieb
allein. Sie beobachtete, wie das Mädchen wegging. In diesem Moment waren alle
Erinnerungen wiedergekehrt. Der August dieses Jahres war heiß, aber Asia war kalt.
Sie empfand die Kälte ihres Körpers. Als sie an seinem Grab stand und einen kleinen
Rosenstrauß hielt, konnte sie immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Sie
dachte, dass sie von diesem Alptraum erwachen würde. Das Telefon klingte und sie
hörte seine Stimme. Von Tag zu Tag sehnte sie sich immer mehr nach ihm. Und bei dem
Anblick dieses Mädchens empfand sie den größten Schmerz. Auf dieseselbe Weise traf
sie Krzysztof das letztemal, hörte das letztemal seine Stimme, sah ihm das letztemal
in die Augen. Er würde sterben und sie konnte ihm nicht helfen. Sie war nicht
imstande, seine Hand zu halten, als er beim Sonnenuntergang heimging. ‚Du solltest
den Brief lesen’ erinnerte sie sich an die Worte des Mädchens aus dem Park. ‚Den
Brief lesen’. Ich tue es, wenn die Zeit dazu gekommen ist – wiederholte Asia
oftmals. Aber schließlich kam diese Zeit. Mit klopfendem Herzen schaute sie auf die
mit dem dicken Füller geschriebenen Buchstaben. Bei Kerzenschein las sie:

‚Liebe Asia,
verzeih mir alle diese Worte, die ich dir gesagt habe. Du hast sie nicht verdient.
Ich hab nicht gewollt, dass Du auf mich schaust, als ich krank war. Es tut mir weh,
dass ich dich nicht mehr treffen werde. Für mich ist das Leben zu Ende. Deines
beginnt erst. Vergieß keine Tränen. So ist es besser. Ich leide nicht mehr. Ich
fürchte mich nicht zu sterben. Erinnere dich ab und zu an mich, aber weine bitte
nicht! Deine Augen sind zu hübsch für Tränen. Vergiß nicht, dass ich dich beobachte.
Ich bin dein Schutzengel. Dein Krzysztof’

‚Danke. Das habe ich gebraucht’. Asia machte die Augen zu und sah Krzysztof, welcher
mit der Hand zum Abschied winkte. Er war nicht traurig. Er war froh. ‚Bis bald im
Himmel, mein Freund’. Inzwischen klingelte in einer kleinen Wohnung das Telefon:
‚Deine Kutsche nimmt noch eine Person auf. Ich werde bei dir sein, bis die Sonne
untergeht’.